Die SPÖ hat unter dem Motto „Sozial. Demokratisch. Gerade jetzt.“ ihren 45. Ordentlichen Parteitag in Wien abgehalten, Pamela Rendi-Wagner wurde als Vorsitzende wiedergewählt. Der SPÖ-Pressedienst spricht mit ihr über die Zukunft Österreichs und warum sie eine Koalition mit dem System Kurz ausschließt.
SPÖ-Pressedienst: Liebe Pamela, wir gratulieren dir zur Wiederwahl als Parteivorsitzende – auch, wenn das Ergebnis wohl unter den Erwartungen geblieben ist?
Rendi-Wagner: Drei Viertel der Delegierten haben mir ihr Vertrauen ausgesprochen. Das ist eine deutliche Mehrheit. Das sind die Vielen, die die SPÖ mit mir gemeinsam weiter stärken wollen. Im letzten Jahr haben mir 71,4 Prozent aller Mitglieder ihre Unterstützung gegeben. Für mich persönlich ist das Basis und Grundlage, mit voller Kraft und voller Überzeugung weiterzukämpfen! Dafür, dass es mehr sozialdemokratische Politik in diesem Land gibt, dass es mehr Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Verteilungsgerechtigkeit gibt.
Der Bundesparteitag 2021 ist vorbei – was ist dein Fazit? Wie geht es weiter?
Wir haben am Bundesparteitag klar gezeigt, wie wir uns das Österreich nach Corona, das Österreich der Zukunft vorstellen, nämlich modern, gerecht und ökologisch. Wir haben dazu 10 starke Leitanträge beschlossen. Für uns ist klar: Jetzt muss es darum gehen, Arbeitsplätze zu schaffen, für Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung, der allen zugutekommt. Für mich ist auch ganz wichtig, dass in Österreich für alle wieder ein sozialer Aufstieg möglich wird. Dazu müssen Arbeit und Leistung neu bewertet werden. Das alles geht aber nur mit einer starken Sozialdemokratie – das alles schaffen wir nur mit Zusammenhalt. Ich stehe für diesen Zusammenhalt und werde mit den Vielen, die die SPÖ nach vorne bringen wollen, dafür kämpfen, Österreich sozialer und gerechter zu machen!
Ein sozialer Aufstieg muss wieder möglich sein – wie meinst du das?
Ich selbst bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es dank der Politik der Chancengerechtigkeit unter Kreisky für die Menschen möglich war, durch die eigene Arbeit zu – wenn auch manchmal nur bescheidenem – Wohlstand zu kommen. Doch heutzutage lohnt sich für viele Menschen in Österreich Leistung nicht. Diese Strickleiter des sozialen Aufstiegs ist in den letzten Jahren mehr und mehr gerissen. Es gibt Menschen in Österreich, die arbeiten Vollzeit oder haben vielleicht sogar mehrere Jobs und dennoch Existenznöte. Sie wissen nicht, wie sie ihre Miete zahlen sollen oder den Schulausflug für das Kind – das darf es doch nicht sein! Es gibt eine soziale Schieflage in Österreich und sie verschlimmert sich. Ich sehe es als historische Aufgabe der Sozialdemokratie, für mehr Verteilungsgerechtigkeit in Österreich zu sorgen.
Wie können wir mehr Verteilungsgerechtigkeit erreichen?
Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und für gerechte Einkommen sorgen, angefangen bei einem Mindestlohn von 1.700 Euro steuerfrei. Wir müssen unseren Sozialstaat stärken. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich auf einen starken Sozialstaat und eine funktionierende Gesundheitsversorgung verlassen zu können. „Mehr privat, weniger Staat“ – dieses neoliberale Konzept ist eindeutig gescheitert. Wir brauchen einen Aufschwung, von dem auch die kleinen und mittleren Einkommen profitieren, indem etwa die Steuern auf Arbeit gesenkt werden und Millionäre und Online-Multis ihren gerechten Beitrag leisten, wenn es darum geht, wer die Kosten dieser Krise zahlen wird. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen endlich gerecht entlohnt werden, alle Kinder die gleichen Bildungschancen haben und die Pensionist*innen im Alter das bekommen, was ihnen zusteht. Es gilt also, an vielen Hebeln anzusetzen.
Arbeitsplätze zu schaffen – das ist in einer Zeit des Wirtschaftseinbruches nicht so einfach…
Diese Massenarbeitslosigkeit ist ein Skandal! Seit Ausbruch der Krise wird die Arbeitslosigkeit von dieser Regierung nur verwaltet, statt aktiv bekämpft. Jetzt ist nicht die Zeit des Sparens. Der Staat muss Geld in die Hand nehmen und sich aus der Krise herausinvestieren! Der entschlossene Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit ist eine Frage des politischen Willens. Es braucht endlich effektive Beschäftigungsprogramme wie die von uns vorgeschlagene Aktion 40.000 für Langzeitarbeitslose. Es braucht neue, innovative Arbeitszeitmodelle wie die freiwillige geförderte Vier-Tage-Woche. Und es braucht Investitionen in unsere heimische Wirtschaft und in unsere Betriebe. Wir haben hier etwa den Österreich-Scheck vorgeschlagen als eine schnelle unbürokratische Hilfe. Der Staat muss aber auch langfristig eine kluge Investitions- und Standortpolitik betreiben und sich an Unternehmen beteiligen. Und natürlich muss die Kaufkraft gestärkt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Durch die Senkung von Steuern auf Arbeit, aber auch durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes.
Du hast beim Parteitag eine Koalition mit dem Kurz-System ausgeschlossen. Warum diese deutliche Ansage?
Spätestens die letzten Monate der Skandale, Einschüchterungsversuche und Angriffe auf Justiz und Medien haben ganz deutlich gezeigt: Mit dem System Kurz ist kein Staat zu machen. Wir haben eine Regierung, die die Grundsätze der Demokratie missachtet und unsere Republik als Selbstbedienungsaden betrachtet. Es geht dieser Truppe einzig und allein um persönlichen Machterhalt. Wieso hat sich der Kanzler nicht eingesetzt für die Mitarbeiter*innen bei MAN in Steyr? Wo bleibt die versprochene Steuersenkung? Wieso kommen die Corina-Hilfen bei den Menschen nicht an? Weil dem System Kurz die Menschen egal sind. Sie werden im Stich gelassen, während sich der Kanzler ein riesiges PR-Budget gönnt und seine Freunde mit hochdotierten Posten versorgt. Uns geht es um die Menschen, wir wollen das Leben der Menschen besser machen.
Wie muss die Politik aussehen, die Österreich jetzt braucht?
Wir brauchen eine Politik des Anstands, des Respekts und der Ehrlichkeit. Eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ja, es braucht mehr Sozialdemokratie! Denn bei aller Bescheidenheit: Wir können das besser als die anderen! Wir Sozialdemokrat*innen haben die Demokratie erkämpft und immer wieder verteidigt. Wir haben den Sozialstaat erkämpft und immer wieder vereidigt. Wir stehen auf der Seite der hart arbeitenden Menschen und derjenigen, die es sich nicht richten können. Wir kämpfen für die vielen, nicht für ein paar wenige. Und wir haben das Herz und die Werte, die unser Land starkgemacht haben: Solidarität, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Es ist Zeit, dass wir diesen Werten in unserem Land wieder zum Durchbruch verhelfen!